Private Räume – öffentliche Räume

Der Film Karla unterscheidet sich thematisch und in der filmischen Umsetzung von anderen DEFA-Filmen. Die SED forderte von den Filmschaffenden in der DDR, dass sie sich an die Doktrin des Sozialistischen Realismus halten. Die Protagonist*innen dieser Filme waren "positive Helden". Thematisch stellten vom Sozialistischen Realismus geprägte Werke "Fragen der deutschen Arbeiterbewegung" in den Vordergrund. In diesem Modul geht es darum, Merkmale der filmischen Gestaltung des Films Karla zu untersuchen. Welche Bilder von der sozialistischen Wirklichkeit erschafft der Film? Die Handlung führt uns am Anfang des Films in zwei grundverschiedene Räume: die Sphäre Kaspars - den Bootsschuppen und die Sphäre der Schule - in das Büro von Direktor Hirte.

Aufgabe 1

  1. Vergleiche die Darstellung des Bootsschuppens mit der Darstellung des Büros von Schulleiter Hirte. Erstelle mit dem Kameraicon aussagekräftige Standbilder. Notiere deine Eindrücke. Nimm dabei Bezug auf die Fragen:
    1. Was charakterisiert den Bootsschuppen? Was erzählt das Interieur des Büros über Schulleiter Ali Hirte?
    2. Wie verhält sich Karla im Bootsschuppen im Vergleich zum Büro des Direktors?
    3. Vergleiche Karlas Kleidung in den beiden unterschiedlichen Sphären, ihre Sprache und ihre Körperhaltung.

Karla, TC 00:11:59 – 00:13:55

Karla, TC 00:19:09 – 00:20:10

Werkzeuge

Aufgabe 2

  1. Wie verhalten sich die Figuren des Direktors und der Schulrätin gegenüber Karla?
    1. Auf der Dialog-Ebene: wie sprechen die beiden mit Karla?
    2. Welche Themen stehen im Mittelpunkt?
    3. Deute die Platzierung und Ausrichtung der Sitzgelegenheiten im Raum.
    4. Was drückt die Körperhaltung des Schuldirektors und der Schulrätin aus?

Aufgabe 3

  1. Was symbolisieren Bootsschuppen und Schulleiterbüro deiner Meinung nach im filmischen Kontext?

Aufgabe 4

  1. Vergleiche die Lichtsetzung in den beiden Ausschnitten. Erläutere deine Beobachtungen im Schreibfeld.

Bootsschuppen

Direktorenbüro

Wege durch die Kleinstadt – die Gegenwart im Film

Der Film Karla wurde Mitte der 1960er Jahre gedreht und lässt erkennen, dass auch die Filmemacher*innen der DDR sich von der Strömung der französischen Nouvelle Vague inspirieren ließen, die Anfang der 1960er Jahre mit bis dahin üblichen Konventionen des Filmmachens brach. Statt im Filmstudio zu drehen, war die Nouvelle Vague vor allem durch eine bewegte Kamera und zahlreiche Außenaufnahmen geprägt, welche den Filmen einen dokumentarischen Look verliehen.

In Karla begleiten wir die junge Lehrerin auf mehreren Wegen an ihrem Arbeitsort: Karla tritt ihre Stelle in einer Kleinstadt im Norden an. Liegt der Bahnhof noch in der idyllischen Altstadt, muss sie zur Theodor-Fontane-Oberschule über Sandberge und Baumaterialien stolpern: ihre erste Arbeitsstätte liegt mitten in einem gerade errichteten und längst noch nicht fertigen Neubaugebiet, von der Schule schickt eine Frau Karla zum Zeltlager am See, wo sie auf Kaspar stößt. Bei ihren Krisen-Gesprächen laufen Ali Hirte und Karla durch neu errichtete Plattenbau-Wohnviertel, während im Bildhintergrund spielende Kinder quasi dokumentarisch mit gefilmt werden.

In seiner Ästhetik zeigt „Karla“ Nähe zum Nouvelle-Vague-Film „Außer Atem“ (1960) des französischen Regisseurs Jean-Luc Godard.

Jean Seberg und Jean-Paul Belmondo in Außer Atem von Jean-Luc Godard, 1960 (© STUDIOCANAL GmbH Filmverleih)

Jutta Hoffmann und Hans Hardt-Hardtloff in Karla von Herrmann Zschoche, 1965/1990 (Foto Eberhard Daßdorf)

Aufgabe 5

Die Filme der Nouvelle Vague wiesen oft eine eher lockere und experimentelle Struktur auf, bei der auch viele neue Techniken (etwa der Jump Cut) entdeckt und etabliert wurden.

  1. Schau dir den folgenden Filmausschnitt bewusst an und achte auf den Hintergrund. Was erzählt dir dieser Ausschnitt über die Gegenwart der DDR im Jahr 1965?

Karla, TC 00:51:11 – 00:53:01

Aufgabe 6

  1. Schau dir den Filmausschnitt an und beschreibe deine Beobachtungen. Entnimm beispielhafte Filmbilder. Nutze die Notizkärtchen und die Piktogramme: Wie hält die Kamera in dieser Sequenz das Geschehen im Bild fest? Welche Kameraperspektiven, Kamerabewegungen und Einstellungsgrößen dominieren? Welche Erzählperspektive liegt vor?

Karla, TC 00:56:06 – 00:58:10

Werkzeuge
Einstellungsgröße
Kameraperspektive
Erzählperspektive
Kamerabewegung

Aufgabe 7

In der Nouvelle Vague spielten spontane Musik- und Tanzeinlagen eine wichtige Rolle, um bestimmte Gefühle auszudrücken, die Figuren zu charakterisieren und die Konventionen des filmischen Erzählens aufzubrechen. Diese Szenen wirkten leicht, verspielt und subversiv und sagten viel über die innere Welt der Figuren und ihre Beziehung zur Außenwelt aus. Die Figuren beginnen plötzlich zu tanzen oder zu singen, was ihre emotionale Freiheit und die Abkehr von strengen gesellschaftlichen Konventionen verdeutlicht.

  1. Karla und Kaspar singen in dieser Szene gemeinsam ein Lied. Um welche Themen geht es im Lied und im folgenden Dialog zwischen Karla und Kaspar?

Karla, TC 00:56:06 – 00:58:10

Filmmusik

Zur Hauptfigur des Films, Karla, gehört ein musikalisches Leitmotiv. Die Musik im Film setzt erstmals ein, als Karla im Zug zu ihrer ersten Arbeitsstelle sitzt und unterlegt den Vorspann des Films. Im weiteren Verlauf des Films kehrt die Musik mehrfach wieder.

Aufgabe 8

  1. Schau dir den Filmausschnitt an. Beschreibe den Charakter der Musik. Welche Stimmung kreiert sie? Assoziiere zunächst frei und halte im Schreibfeld fest, was dir die Musik über die Hauptfigur Karla zusätzlich zur Dialogebene in der Szene erzählt.

Karla, TC 00:29:15 – 00:30:04

Assoziationen

Aufgabe 9

  1. Später im Film gibt Karla nach vielen Kämpfen dem Druck, der auf sie ausgeübt wird, nach: Schau dir nun den folgenden Filmausschnitt an. Was passiert mit dem musikalischen Leitmotiv in dieser Szene? Wie verändert sich das Wesen der Musik? Überlege, worum es den Filmemacher*innen in dieser Szene gegangen sein könnte.

Karla, TC 01:22:26 – 01:24:09