Modul 1: Geschichte & Geschichte

1. Geschichte zur Geschichte

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, den Judith Kerr 1971 veröffentlicht hat. Am Ende des Films lesen wir, dass Judith Kerr ihre eigene Geschichte erzählt. Wir sehen auch ein, auf circa 1934 datiertes, Foto von ihr als Kind mit ihrem Vater. Tatsächlich war der Vater von Judith Kerr, Alfred Kerr (geborener: Kemper), Schriftsteller, Theaterkritiker und Journalist.

Aufgabe 1

  1. Lässt sich daraus schließen, dass wir im Film sehen, wie es wirklich gewesen ist?
  2. Finde Argumente und Gegenargumente.

Aufgabe 2

  1. Ist der Roman Als Hitler das rosa Kaninchen stahl eine Autobiographie und der Film Als Hitler das rosa Kaninchen stahl eine Biographie? Begründe.
  2. Roman und Film sind fiktional, also ausgedacht. Damit erzählen sie nicht die Lebensgeschichte, wie sie wirklich war. Sie erzählen auch nicht nur die Geschichte einer Figur, in dem Fall Anna, sondern die Geschichte der ganzen Familie. Damit sind sie nicht im klassischen Sinne Autobiographie und Biographie.

Aufgabe 3

  1. In welches Genre würdest du den Film einordnen? Mehrere Nennungen sind möglich. Tipp auf die Kärtchen, um dich über die Genres zu informieren.

Drama

Drama

Eine Krise einer oder mehreren Figuren steht im Zentrum der Filmhandlung.

Horrorfilm

Horrorfilm

Durch unberechenbare Ereignisse und extreme Darstellungen von Gewalt sollen sich die Zuschauer*innen gruseln und schockiert werden.

Dokumentar­film

Dokumentarfilm

Film, der etwas aus der Wirklichkeit (in Geschichte oder Gegenwart) beschreibt und nicht fiktional ist, also sich nichts ausdenkt.

Historienfilm

Historienfilm

Ein Film spielt in der Vergangenheit, um diese Zeit zu beschreiben.

Kinder- und Jugendfilm

Kinder- und Jugendfilm

Die Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche.

Naturfilm

Naturfilm

Die Natur mit Pflanzen und/oder Tieren steht im Vordergrund.

Kriegsfilm

Kriegsfilm

Der Film bespricht und zeigt einen Krieg, häufig mit Kriegsszenen.

Biopic

Biopic

Ein Film erzählt die Lebensgeschichte der Hauptfigur, die es auch wirklich gibt.

Literatur­verfilmung

Literatur­verfilmung

Ein Roman wird verfilmt.

Fiktionale Biographie

Fiktionale Biographie

Eine Lebensgeschichte einer real existierenden Person wird erzählt und mit fiktionalen Elementen ausgeschmückt.

Aufgabe 4

  1. Wie findest du es, einen Spielfilm zu sehen über die Zeit des Nationalsozialismus? Ein Spielfilm ist ein fiktionaler Film, also der nicht (nur) die Realität beschreibt, sondern eine (teilweise) ausgedachte Geschichte erzählt. Nimm Stellung dazu und wäge mögliche Vorteile und Nachteile zu einem Dokumentarfilm ab.

2. Der Film im geschichtlichen Kontext

Aufgabe 5

  1. Wie erfährst du im Film, dass der Film nicht in der Gegenwart spielt? Welche Hinweise gibt es? Unterscheide Hinweise, die dir die Ausstattung (=Design, Einrichtungsgegenstände, Kostüm,...) des Films gibt, von Hinweisen aus der Filmhandlung.
  2. Hinweise Ausstattung

    Hinweise Filmhandlung

Aufgabe 6

  1. Wie erfährst du im Film, dass er zur Zeit des Nationalsozialismus spielt?
  2. Der Nationalsozialismus war das politische System in Deutschland von 1933 bis 1945. Es war eine Diktatur (=Gegenteil von Demokratie), ein Unrechtssystem. Alles wurde auf Adolf Hitler und seine Partei, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), ausgerichtet (=Gleichschaltung). Zum Beispiel waren alle Jugendorganisationen verboten, die nicht nationalsozialistisch waren.

    Die Nationalsozialist*innen verbreiteten ein menschenverachtendes Weltbild, verfolgten und ermordeten Juden_Jüdinnen, Rom*nja und Sinti*zze, politisch Andersdenkende, Behinderte, Homosexuelle und andere Menschen, die nicht in ihr Weltbild passten. Sie bauten ein riesiges System mit vielen Beteiligten auf, um diese brutalen Verbrechen zu begehen. In Konzentrationslagern (KZ) und durch Massenerschießungen ermordeten sie Millionen von Menschen. Diese große Vernichtung wird Holocaust genannt.

    Der Zweite Weltkrieg mit über 60 Millionen Toten wurde von Nazi-Deutschland 1939 begonnen. Die Nazis besetzten Österreich, Tschechien, Polen, Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Jugoslawien, Griechenland, Nordafrika, Teile der Sowjetunion. Im Osten gingen sie besonders mörderisch auch gegen Zivilist*innen (Nicht-Militär) vor. Sie zwangen 20 Millionen Menschen in Ost und West zu Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen. Nazi-Deutschland wurde von den USA, Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion besiegt und befreit. Am 8. Mai 1945 endete der Krieg.

z. B.: Jungs beim Fasching in Uniform der Hitlerjugend (HJ) mit Hakenkreuzen, Familie spricht viel über Hitler und Nationalsozialismus, Familie muss vor den Nazis fliehen, ...

Aufgabe 7

Der Film spielt nur in den ersten Jahren des Nationalsozialismus, vor dem Zweiten Weltkrieg und vor dem Holocaust. Er setzt zu einer Zeit ein, in der die Nazis bereits die Pressefreiheit einschränkten, Grundrechte außer Kraft setzten, Juden_Jüdinnen aus dem gesellschaftlichen Leben ausschlossen und politische Gegner*innen verfolgten.

  1. Einige reale Ereignisse werden im Film genannt, die in der Zeit des Nationalsozialismus stattgefunden haben. Erinnerst du dich, wie im Film davon erzählt wurde? Lies‘ die Erläuterungstexte und ordne ihnen ein bis zwei Filmausschnitte zu.
  2. Ausschnitt 1

    Im Koch- und Wohnzimmer in der Pariser Wohnung sitzen am Tisch Vater, Max, Mutter und auf ihrem Schoß Anna, und ein Bekannter. Der kaut und hat eine Teetasse vor sich stehen. Dann sehen wir den Vater nah, wie er sich zur Seite wendet, um Max zu antworten. Er sieht sehr bedrückt aus.

    TC: 01:41:57:00 – 01:42:06:11

    Ausschnitt 2

    Die Familie sitzt am gedeckten Tisch draußen vor dem Gasthof in der Schweiz. Während wir Onkel Julius hören, sehen wir Max und Anna am Tisch sitzen; Max schaut zu Anna, Anna hat ihren Blick gesenkt. Dann sehen wir den Vater in Hemd und Weste beim Sprechen.

    TC: 00:36:07:06 – 00:36:43:00

    Ausschnitt 3

    Anna liegt fiebrig im Bett im Hotel in Zürich. Der Vater liest aus der Zeitung vor. Er sitzt gegenüber von Annas Bett.

    TC: 00:27:07:00– 00:27:18:20

    Ausschnitt 4

    Die Mutter steht in einem Geschäft mit Gläsern und Lampen, schaut nach unten und hat ein Tuch in der Hand. Jemand ihr gegenüber sieht sich Schmuck in der Hand an, neben der Person steht eine Lupe auf einer Vitrine, in der auch kleine goldene Gegenstände sind. Der Vater sitzt zu Hause in Paris in seinem Zimmer, es ist dunkel, er sieht müde aus. Rauch steigt von seiner Zigarette neben ihm auf. Sein Oberkörper bewegt sich vom Tippen auf der Schreibmaschine, die wir nicht sehen. Er zieht an der Zigarette.

    TC: 01:21:07:07 – 01:21:14:16

    Ausschnitt 5

    Auf einer sattgrünen Wiese mit gelben Blumen läuft ein Mann mit einer Kuh an Anna vorbei. Anna schaut ihnen nach. Die Kamera bewegt sich auf und ab, während wir Anna beim Laufen und Stehen sehen. Sie dreht ihren Kopf über die Schulter. Onkel Julius und der Vater stehen oben am Berg, rauchen und reden. Die Kamera und der Schnitt sind in dieser Szene besonders im Vergleich zum Rest des Films.

    TC: 00:38:34:03 – 00:38:44:03

    Ausschnitt 6

    Der Vater und Onkel Julius rauchen draußen vor dem Gasthof in der Schweiz. Sie stehen auf und gehen zum Tisch, an dem die Mutter sitzt. Die Inhaberin des Gasthofs kommt und bringt einen Kuchen, den die Mutter anschneidet, später bringt sie noch eine Karaffe mit Wasser. Anna steht am Brunnen mit einem Stofftier und spricht. Max sitzt auf einem Liegestuhl und hört zu.

    TC: 00:35:47:07 – 00:36:07:06

    Grundrechte außer Kraft

    In der Nacht zum 28. Februar 1933 brannte der Reichstag. Die neue Regierung unter Hitler behauptete, Kommunist*innen hätten ihn in Brand gesetzt, und setzte die Grundrechte in der sog. Reichstagsbrandverordnung außer Kraft. Sie schränkte u.a. die persönliche Freiheit, die Meinungs- und Pressefreiheit ein. Hausdurchsuchungen fanden statt und Besitz konnte beschlagnahmt werden. Damit wurden politische Gegner*innen verfolgt.

    Grundrechte außer Kraft im Film:

    NSDAP gewinnt unfreie Wahl

    Die Reichstagswahl am 5. März 1933 war die letzte Wahl, zu der auch andere Parteien als Hitlers Partei, die NSDAP, überhaupt zur Wahl standen. Aber auch sie war unfrei: im Vorfeld wurden politische Gegner*innen verfolgt, in Konzentrationslager eingesperrt und vom Wahlkampf abgehalten. Daraufhin gewann die NSDAP bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 43,9 %.

    NSDAP gewinnt unfreie Wahl im Film:

    Bücherverbrennung

    Zwischen März bis Oktober 1933 verbrannten Studierende, Professor*innen und NSDAP-Leute öffentlich Bücher, die nicht dem nationalsozialistischen Weltbild entsprachen. Darunter waren Bücher von Autor*innen und Wissenschaftler*innen wie Albert Einstein, Bertold Brecht, Nelly Sachs, Erich Kästner, Magnus Hirschfeld, Maxim Gorki, Sigmund Freud.

    Bücherverbrennung im Film:

    Konzentrationslager

    Die Nationalsozialist*innen nahmen Menschen in Konzentrationslagern (KZ) gefangen, folterten und ermordeten sie. Ab 1933 inhaftierten sie vor allem politische Gegner*innen im KZ. Im Laufe der Jahre wurden in KZ weiterhin politische Gegner*innen und Juden_Jüdinnen, Roma*Romnja und Sinti*Sintizze, Homosexuelle, Menschen, die als „asozial” oder „Berufsverbrecher” eingestuft wurden, Zeug*innen Jehovas und andere inhaftiert. Sie wurden zu Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen gezwungen und in Gaskammern ermordet. Das größte KZ, das KZ Auschwitz, bauten die Nationalsozialist*innen 1940 im von ihnen besetzten Polen und ermordeten dort ungefähr 1,5 Millionen Menschen.

    Konzentrationslager im Film:

    Nürnberger Gesetze

    Die Nürnberger Gesetze waren die Grundlage für die Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung von Juden_Jüdinnen und Sint*izze und Rom*nja. Die Nationalsozialist*innen definierten, wer für sie als jüdisch galt, und Juden_Jüdinnen generell als „feindliche Rasse”. Sie nahmen Juden_Jüdinnen ihre Rechte, ihren Besitz und die deutsche Staatsbürgerschaft. Jetzt durften Juden_Jüdinnen nicht mehr wählen, nicht im Amt arbeiten, nicht Menschen heiraten oder mit ihnen Sex haben, die nicht-jüdisch waren. Auch Sint*izze und Rom*nja verloren ihre Rechte und durften keine Gadjé (nicht-Sin*izze und nich-Rom*nja) heiraten.

    Nürnberger Gesetze im Film:

  3. Kennst du weitere Ereignisse und Entwicklungen aus der Geschichte des Nationalsozialismus? Notiere sie. Wenn du dir nicht sicher bist, setze ein Fragezeichen hinter deine Notiz.

Aufgabe 8

Im Film wird viel über furchtbare Ereignisse und Gewalt gesprochen. Sie werden aber nicht unmittelbar dargestellt. Zum Beispiel sehen wir nicht, wie Nazis die Bücher von Annas Vater verbrennen.

  1. Überlege, warum das so sein könnte und wie der Film so, wie er ist, auf dich gewirkt hat. Beurteile anschließend die Entscheidung der Regisseurin. Mache dir kurze Notizen.

Aufgabe 9

Der Film baut an vielen Stellen eine bedrohliche Stimmung auf. Das schafft er mit verschiedenen gestalterischen Mitteln, zum Beispiel mit Geräuschen und Musik, Dialogen, bestimmten Figuren, Schauspiel, Dunkelheit.

  1. Fallen dir noch zwei oder drei Momente ein, die du bedrohlich fandest? Wenn ja, was hat sie so bedrohlich gemacht?

Aufgabe 10

  1. Sieh dir den folgenden Filmausschnitt an und achte auf die Tonspur. Die Tonspur ist alles, was du hörst, darunter Filmmusik, Geräusch, Stimme. Welche Stimmung wird durch den Ton verstärkt?
  2. Anna sucht ihren Vater in ihrem Berliner Elternhaus. Sie läuft die Treppe hinunter, öffnet die Tür zum Wohnzimmer, schaut hinein, dreht sich um und geht in Richtung Küche. Er ist nicht zu sehen.

    TC: 00:09:25 – 00:09:37

  3. Sieh dir nun den Filmausschnitt ohne Ton noch einmal an. Probiere danach selbst verschiedene Tonspuren aus. Du kannst auch mehrere Tonspuren gleichzeitig abspielen. Achtung: stelle die Lautstärke lieber etwas geringer ein. Bewerte mit dem Daumen, wie passend du sie findest.
  4. Anna sucht ihren Vater in ihrem Berliner Elternhaus. Sie läuft die Treppe hinunter, öffnet die Tür zum Wohnzimmer, schaut hinein, dreht sich um und geht in Richtung Küche. Er ist nicht zu sehen.

    TC: 00:09:25 – 00:09:37

    Tonspur 1

    Audio von Two Wingbeats for Infinity über Pixabay

    Tonspur 2

    Audio von nikproteus über Pixabay

    Tonspur 3

    Audio von STERREDEVRESSE (Freesound) über Pixabay

    Tonspur 4

    Audio von BrandonNyte (Freesound) über Pixabay

    Tonspur 5

    Audio von fotoshop (Freesound) über Pixabay

Aufgabe 11

  1. Du hast dich jetzt schon länger mit furchtbaren Ereignissen aus der Geschichte und auch bedrohlichen Momenten im Film beschäftigt. Schalte kurz ab und mache Geräusche und Bewegungen, die dich auflockern und dir helfen, wieder jetzt im Moment und bei dir zu sein. Du kannst dich zum Beispiel schütteln, wackeln, strecken, laut gähnen oder Pferdegeräusche machen.

    Übrigens wie die Familie im Film: Anna, ihr Vater Arthur, ihre Mutter Dorothea und ihr Bruder Max haben nicht nur Angst und werden nicht nur verfolgt. Sondern sie sind auch mutig, unterstützen einander und schaffen es, die Hoffnung nicht aufzugeben.