Modul 2: Verfolgung im Nationalsozialismus

1. Verfolgung im Nationalsozialismus

Die Nationalsozialist*innen haben Menschen in Gruppen eingeordnet und alle verfolgt, die sie aufgrund ihres menschenfeindlichen und rassistischen Weltbildes aus der sogenannten „arischen Volksgemeinschaft“ ausschlossen. Verfolgt und ermordet wurden u.a. Menschen, die die Nationalsozialist*innen folgenden Gruppen zuordneten - man spricht auch von Opfergruppen im Nationalsozialismus.

Außerdem wurden mehr als 20 Millionen Menschen von den Nationalsozialist*innen gezwungen, unter unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten. Menschen aus Osteuropa und der Sowjetunion wurden von den Nationalsozialist*innen in besonders großem Ausmaß ermordet und unterdrückt. Auch Kriegsgefangene, vor allem sowjetische, wurden unmenschlich behandelt.

Aufgabe 1

  1. Überlege, was du über die jeweilige Opfergruppe weißt. Drehe dann die Karte um und lies den kurzen Erklärtext.

Juden_Jüdinnen

Juden_Jüdinnen

Juden_Jüdinnen waren von Beginn an besonders großer Hetze und Verfolgung ausgesetzt. Mehr als 2.000 Gesetze wurden zu ihrer Ausgrenzung verabschiedet. Die Nazis erklärten Juden_Jüdinnen zu ihrem Hauptfeind und hatten das wahnhafte Ziel, alle Juden_Jüdinnen Europas zu ermorden. Mit 6 Millionen Ermordeten waren Juden_Jüdinnen die größte Opfergruppe im Nationalsozialismus.

Kommunist*innen und andere politische Gegner*innen

Kommunist*innen und andere politische Gegner*innen

Schon 1933 sperrten die Nazis Kommunist*innen und politisch Andersdenkende ein und schränkten auch die Pressefreiheit ein. In Konzentrationslagern wurden diese mit einem roten Winkel markiert. Nach dem Krieg wurden in der DDR kommunistische NS-Opfer besonders geehrt, in der BRD nicht anerkannt und ausgegrenzt.

Rom*nja und Sinti*zze

Rom*nja und Sinti*zze

Rom*nja und Sinti*zze wurden ab 1936 in Lagern festgesetzt, zwangssterilisiert (=unfruchtbar gemacht) und im Konzentrationslager ermordet. Nach 1945 wurden sie weiterhin diskriminiert und erst 1982 erkannte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt offiziell den nationalsozialistischen Völkermord an den Rom*nja und Sint*izze an. Dieser wird auch Samudaripen (Romanes für Massenmord) oder Porajmos (Romanes für Verschlingen) genannt.

Homosexuelle

Homosexuelle

Schwule Männer wurden verfolgt und mit dem rosa Winkel in Konzentrationslagern inhaftiert und ermordet. Lesbische Frauen wurden als sog. „Asoziale“ verfolgt und ermordet. Trans* Personen wurden auch in diesen Kategorien verfolgt. Nach 1945 wurden schwule Männer weiterhin strafrechtlich verfolgt.

Kranke und Behinderte

Kranke und Behinderte

Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen wurden bereits ab 1934 zwangssterilisiert und ab 1939 massenhaft ermordet. Etwa wurden Patient*innen in Heil- und Pflegeanstalten in Gaswägen oder durch Giftspritze ermordet oder verhungern gelassen. Die Nazis nannten diese Ermordungen von 250.000 Menschen beschönigend „Euthanasie“ (Griechisch für schöner Tod) und hatten die Wahnvorstellung, eine „gesunde“ Bevölkerung schaffen zu können.

Sog. „Asoziale“

Sog. „Asoziale“

Unter dem abwertenden Begriff „Asoziale“ verfolgten und ermordeten die Nazis sämtliche Menschen, deren Lebenssituation sie abwerteten, darunter Wohnungslose, Prostituierte und Zuhälter, Bettelnde, Menschen, die staatliche Fürsorge empfingen, alleinerziehende Mütter, lesbische Frauen, arme Familien und „Umherziehende“. Diese mussten im KZ einen schwarzen Winkel tragen. Erst 2020 wurden sie vom Bundestag offiziell als Opfergruppe anerkannt.

Zeug*innen Jehovas

Zeug*innen Jehovas

Zeug*innen Jehovas sind eine Religionsgemeinschaft, die die Nazis 1933 verbaten. Zeug*innen Jehovas verweigerten den Wehrdienst und wurden auch dafür von den Nazis verfolgt. Im Konzentrationslager trugen sie einen lila Winkel und hatten als einzige Gruppe die Möglichkeit, entlassen zu werden, wenn sie ihrer Religionsgemeinschaft abschwörten.

Sog. „Berufsverbrecher“

Sog. „Berufsverbrecher“

Menschen, die Straftaten begangen hatten, darunter auch kleinere, aber auch Menschen, von denen die Nazis nur dachten, sie könnten kriminell werden, wurden verfolgt und ermordet. Im KZ trugen sie einen grünen Winkel.

Aufgabe 2

  1. Als Teil welcher Gruppe oder welcher Gruppen wurde Annas Familie wahrgenommen und verfolgt?

2. Judenverfolgung im Nationalsozialismus

A) Antijüdische Gesetze

Seit die Nationalsozialist*innen 1933 an der Macht waren, grenzten sie Juden_Jüdinnen aus der Gesellschaft und dem alltäglichen Leben aus. Bis zum Ende ihrer Macht 1945 erließen sie dafür mehr als 2.000 Gesetze und Verordnungen. Damit nahmen sie Juden_Jüdinnen Stück für Stück immer mehr Rechte. Das heißt auch: „Entrechtung“ oder „Juden_Jüdinnen wurden entrechtet“.

Aufgabe 3

  1. Unten findest du einige Gesetze, die die Nazis gegen Juden_Jüdinnen erließen. Lies sie und tippe die Gesetze an, die im Film vorkommen.

Folgende drei Gesetze kommen im Film vor: Juden_Jüdinnen dürfen nicht mehr in den Bereichen Literatur, Presse, Theater, Musik und bildender Kunst arbeiten und auftreten. (1933) Juden_Jüdinnen werden Bürger*innen zweiter Klasse. Ihnen wird aberkannt, Reichsbürger zu sein. Die Nazis schauen in Stammbäume und definieren, wer für sie Jude_Jüdin ist. (1935) Das Leben von Juden_Jüdinnen wird im öffentlichen Raum eingeschränkt. Sie dürfen nicht mehr ins Kino, Theater, Museum, in den Zoo, und nicht mehr auf Parkbänken sitzen.  (1938)

Hinweis
Die Familie im Film wird auch verfolgt, weil die sog. Reichstagsbrandverordnung (s. Modul 1, Aufgabe 7) generell die Grundrechte außer Kraft setzte und damit insbesondere politische Gegner*innen verfolgte. Zum Beispiel haben die Nazis das Haus der Familie durchsucht und ihren Besitz beschlagnahmt. Annas Vater wäre als kritischer, jüdischer Journalist und Theaterkritiker ins Gefängnis oder Konzentrationslager gekommen, wenn er nicht geflohen wäre.

Aufgabe 4

  1. Was denkst und fühlst du, wenn du diese Gesetze liest? Tippe einen oder mehrere Emojis an und versuche, das Gefühl zu benennen.
  2. Du kannst auch diese Fragen beantworten, wenn du noch Impulse brauchst:
  3. a. Wie haben sich die Gesetze wohl auf Juden_Jüdinnen ausgewirkt?
    b. Wie bewertest du, dass Nazis definiert haben, wer als Jude_Jüdin galt?
    c. Was könnten Gründe dafür gewesen sein, dass die Nazis über viele Jahre ständig neue Gesetze erlassen haben bzw. erlassen konnten?

B) Antisemitismus

Aufgabe 5

  1. Lies den Text zu Antisemitismus und markiere im Text wichtige Sätze, indem du sie antippst.

Wenn Menschen Juden_Jüdinnen gegenüber feindlich eingestellt sind, nennt man das „Antisemitismus“ und „antisemitisch“. Das kann sich in Beschimpfungen äußern, in Lügen, Ungerechtigkeiten, aber auch in körperlicher Gewalt und Verfolgung. Antisemitismus gibt es schon seit der Antike.

Im Mittelalter hatte der Antisemitismus christlich, religiöse Bezüge. Christ*innen behaupteten etwa, Juden_Jüdinnen würden Brunnen vergiften, christliche Kinder für Zeremonien rauben und ihr Blut trinken (=Ritualmordlegende) und sie hätten Jesus Christus durch den Verrat seines Jüngers Judas ermordet. Sie nahmen Juden_Jüdinnen ihre Rechte und grenzten sie aus. Zum Beispiel durften sich Juden_Jüdinnen nicht aussuchen, wo sie wohnen und was sie arbeiten wollten. Dieser christliche Antisemitismus wird auch Antijudaismus genannt. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Antisemitismus mit rassistischem und nationalistischem Gedankengut verbunden. Um sich als Deutsche von anderen Nationen abzugrenzen (=Nationalismus) und Macht zu erlangen, wurde behauptet, es gäbe verschiedene ,Rassen’ (=Rassismus), Juden_Jüdinnen seien eine andere ,Rasse’ und gehörten zu keiner Nation. Viele Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und Autor*innen hetzten gegen Juden_Jüdinnen und machten sie für ganz verschiedene Ereignisse und Entwicklungen verantwortlich, die ihnen nicht passten.

An diese Lügen, mit denen sich Antisemit*innen alles Unglück erklärten, schlossen die Nationalsozialist*innen an. Ihr Antisemitismus wurde immer extremer und ging so weit, dass sie alle Juden_Jüdinnen ermorden wollten. Im Zeitraum von 1933 bis 1945 hetzten sie täglich gegen Juden_Jüdinnen, nahmen ihnen alle Rechte, raubten ihr Eigentum, zerstörten ihre Gotteshäuser, zwangen sie zu Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen, hielten sie in Ghettos und Konzentrationslagern gefangen und ermordeten sechs Millionen Juden_Jüdinnen. Die massenhafte Vernichtung der europäischen Juden_Jüdinnen nennt man auch Holocaust oder Shoah. Es ist der Tiefpunkt der europäischen Moderne.

Nach 1945 veränderte sich der Antisemitismus wieder. Manche leugnen bis heute den Holocaust oder sagen, er sei nicht so schlimm gewesen (=Relativierung). Manche Deutsche wehren auch ab, dass Deutschland schuld am Zweiten Weltkrieg und am Holocaust war (=Schuldabwehr), greifen das Gedenken an den Holocaust an, zum Beispiel durch Vandalismus an Gedenkstätten, oder überbetonen das Leid, das nicht-verfolgte Deutsche im Krieg hatten. Weil es nach dem Holocaust gesellschaftlich geächtet ist, offen gegen Juden_Jüdinnen zu hetzen, werden manchmal Umwege in der Kommunikation gefunden (=Umwegskommunikation). Dann ist nicht mehr die Rede von Juden_Jüdinnen, aber die antisemitischen Denkweisen werden wachgerufen. Das geschieht etwa in Verschwörungserzählungen, mit denen behauptet wird, dass eine kleine gefährliche Gruppe von Menschen die Welt lenkt. Auch der jüdische Staat Israel wird teilweise antisemitisch markiert, wenn er etwa als unvergleichbar gefährlich (=Dämonisierung) oder als Kindermörder (s. Ritualmordlegende) hervorgehoben wird.

  1. Was fällt dir auf? Was bleibt ähnlich und was verändert sich im Laufe der Geschichte?

Aufgabe 6

  1. Was und wen hast du im Film als antisemitisch wahrgenommen? Denke an einzelne Filmfiguren als auch an alles, was du im Film zur Zeit des Nationalsozialismus hörst und siehst.
  2. Vielleicht hast du an eine der folgenden Filmfiguren gedacht. Notiere zu jeder Person(engruppe)
    1. was sie im Film macht/machen oder sagt/sagen und was passieren könnte,
    2. wie gefährlich sie für die Familie ist/sind und
    3. was sie stattdessen auch hätte/n machen oder sagen können.

Jungen in HJ-Uniform

Drei Jungen in HJ-Uniform beim Fasching.

TC: 00:01:59.50

ungefährlichsehr gefährlich

Frau Lammeck in Berlin

Frau Lammeck schaut über den Gartenzaun

TC: 00:19:12

ungefährlichsehr gefährlich

Vermieterin in Paris

Die Vermieterin in Paris mit ihrem Hund im dunklen Empfangsbereich

TC: 00:01:04

ungefährlichsehr gefährlich

Gretel

Gretel im dunklen Treppenhaus

TC: 01:46:10

ungefährlichsehr gefährlich

Am Tag nach der Wahl kam die Polizei zum Haus der Familie in Berlin, als sie schon in die Schweiz geflohen war. Sie hat ihren Besitz beschlagnahmt und hätte den Vater eingesperrt, wenn er noch da gewesen wäre. Adolf Hitler, der Reichskanzler (später gab er sich die Bezeichung „Führer“) hatte das angeordnet. Später setzen die Nazis auch ein Kopfgeld auf den Vater. Letztendlich hat die Flucht der Familie das Leben gerettet.

  1. Setze diese Bedrohung ins Verhältnis mit den Bedrohungen durch die oben genannten Filmfiguren. Bewerte anschließend, wie das Leben und der Alltag der Familie durch alle diese Bedrohungen beeinflusst wird. Wie wirkt sich im Film Antisemitismus auf Anna und ihre Familie aus?

Du hast dich in diesem Modul mit nationalsozialistischer Gewalt auseinandergesetzt. Es ist wichtig, nicht nur die Gewalt der Täter*innen gegen die Verfolgten zu analysieren, sondern auch die Perspektiven der Verfolgten.

Genau darum geht es in Modul 3: Gegen die Verfolgung: Was waren Strategien von Anna und ihrer Familie, zu überleben und sich im Alltag gegen die Gewalt zu behaupten? Wer hat ihnen geholfen und wie? Was bedeuten die filmsprachlichen Begriffe „Protagonistin“, „Helferfiguren“ und „Antagonist*in“? Wie kannst du gegen Antisemitismus handeln?
Bearbeite nach Modul 2 mindestens eine Aufgabe aus Modul 3. Im besten Fall bearbeitest du das komplette Modul 3.