Film und Zeit

„'Ein Film hat einen Anfang, eine Mitte, und ein Ende – aber nicht notwendig in dieser Reihenfolge.' So hat der Regisseur Jean-Luc Godard die Frage nach dem Ende eines Films beantwortet. Das Ende ist demnach nicht allein der Schluss, sondern auch ein filmisches Mittel.”

Rüdiger Suchsland über Filmenden im Deutschlandfunk Archiv

Ein wesentlicher Bestandteil des Erzählens im Film ist die Gestaltung der Zeit, die wir in unserem Alltag linear von der Vergangenheit über die Gegenwart hin zur Zukunft wahrnehmen. Mit der Einführung von Montagetechniken ab den 1910er Jahren begannen die Filmemacher*innen Geschichten nicht nur in chronologischer Reihenfolge zu erzählen, sondern Rückblenden (Flashback) und Vorausschauen (Flashforward) einzufügen oder mittels Zeitsprüngen Passagen auszulassen (Ellipse). Zeit konnte nun außerdem beschleunigt oder gedehnt werden, um durch Zeitraffer oder Zeitlupe dramatische Effekte zu erzielen. Deshalb ist es auf der analytischen Ebene hilfreich, die Ordnung der Zeit eines Filmes näher zu betrachten.

„Die Zeit ist ein Kreis“ (Aron)

„Zeitsymmetrie – Zukunft und Vergangenheit haben die gleiche Gültigkeit für die Gegenwart.“ (Aron)

Unsere lineare Vorstellung von der Zeit, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft klar abgegrenzt auf einer Linie liegen, stellt Aaron schon am Anfang des Films in Frage. Mit seiner Vorstellung von Zeitsymmetrie haben Vergangenheit und Zukunft die gleiche Gültigkeit für die Gegenwart und er stellt in seiner Vorlesung dem Publikum die Frage, warum wir uns an unsere Vergangenheit, aber nicht an unsere Zukunft erinnern. Der Film beginnt also mit einer Vorlesung über die Zeit und endet mit dem Anfang der Geschichte. Zwischendrin wird uns in vielen Rückblenden (Flashbacks) von Nora, Aron und Natan erzählt, und die Handlung verschmilzt immer mehr mit der Gegenwart.

Aufgabe 1

  1. Schau dir den Filmausschnitt aus Mein Ende. Dein Anfang. mit Arons Aussagen über sein Zeitverständnis an und beschreibe, wie sich seine Idee von der Zeit auch in der Struktur des Filmes und im Filmtitel widerspiegelt.

TC 00:00:20.79 – 00:01:23.37

Die Ordnung der Zeit – Zeitebenen

Jede Geschichte folgt einer zeitlichen Ordnung. Dabei kann der Handlungsverlauf eines Filmes (Plot) der Chronologie der erzählten Geschichte (Story) entsprechen oder von ihr abweichen. Im Wesentlichen lassen sich vier Möglichkeiten unterscheiden:

  1. Die Story ist in der zeitlichen Struktur mit dem Plot identisch, d.h. die Chronologie der Ereignisse der erzählten Geschichte stimmt mit dem Handlungsverlauf überein: 🄰‑🄱‑🄲
  2. Von einer Rückblende oder einem Flashback spricht man, wenn der Handlungsverlauf des Filmes von der Chronologie der erzählten Geschichte abweicht und zurückliegende Geschehnisse später erzählt werden: 🄱‑🄰‑🄲
  3. Werden zukünftige Ereignisse früher erzählt spricht man von einer Vorausschau oder einem Flashforward: 🄲‑🄰‑🄱
  4. Werden mehrere Ereignisse, die an unterschiedlichen Orten stattfinden, gleichzeitig erzählt, dann verwendet man eine Parallelmontage oder in seltenen Fällen auch die Variante des Splitscreen.

Aufgabe 2

  1. Mein Ende. Dein Anfang. arbeitet mit einer ungewöhnlichen Gestaltung der Zeitebenen und erzählt uns die Story mit einer chronologischen Struktur, die von zahlreichen Rückblenden (Flashback) unterbrochen wird. Hier siehst du Standbilder aus verschiedenen Szenen wie sie dir nacheinander im Film gezeigt werden. Erkennst du, welche Zeitebene jeweils dargestellt wird?

Aron und Nora bei der Vorlesung

TC 00:02:09

Der Banküberfall

TC 00:05:00

Gespräch mit Noras Mutter

TC 00:13:48

Nora putzt Arons Schuhe

TC 00:37:03

Kennenlernen vor dem Supermarkt

TC 01:31:26

Erstes Treffen in der U-Bahn

TC 01:44:41

Aufgabe 3

  1. Kennst du andere Filme oder Serien, die mit einer ähnlichen Zeitstruktur wie bei Mein Ende. Dein Anfang. arbeiten? In welchen Kontexten sind dir solche Filme oder Serien begegnet?
Filmthemen

4/13

Plot und Story