Schnitt & Montage

Der Schnitt als Atem und Herz der Filmerzählung

Der Ausdruck „Schnitt“ stammt noch aus der analogen Zeit des Filmdrehs, in der die Filmrollen mit der Schere auseinandergeschnitten und in der gewünschten Reihenfolge wieder zusammengeklebt wurden. Heute werden Filme digital aufgenommen und mit Schnittprogrammen bearbeitet.

Als wesentliches Element des Films bezeichnet der Filmschnitt eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die in der Postproduktion durch Filmeditor*innen (auch Filmcutter*innen genannt) vorgenommen werden. Die Auswahl, das Kürzen, Verlängern und neu Anordnen von Filmsequenzen bestimmt, wie eine Geschichte im Film erzählt wird. Der Schnitt ist damit ein wichtiges Werkzeug, das den Erzählrhythmus und das Raum-Zeit-Gefüge einer Geschichte definiert, Beziehungen zwischen zwei Einstellungen herstellt sowie Emotionen und Spannung erzeugt.

Auch wenn der Begriff Montage häufig synonym zum Schnitt verwendet wird, beschreibt die Montage eher das übergeordnete künstlerische Konzept der Filmkomposition, während der Schnitt den technisch-handwerklichen Vorgang betont.

Aufgabe 1

  1. In dieser Szene aus The Ordinaries ist Paula mit zwei Outtakes auf der Flucht. Nach der ersten Explosion im Hintergrund wiederholt sich die Szene an unterschiedlichen Stellen und Paula erfährt von sogenannten „Schnittpistolen“. Schau dir diesen Ausschnitt an und notiere, was mit Schnittpistolen gemeint sein könnte.

TC 01:05:58.04 – 01:06:50.04

Montageformen

Sieht man die Montage wie der Filmwissenschaftler Béla Balázs als „Atem der Erzählung“ so erzeugen die eingesetzten Montageformen unterschiedliche Assoziationen und Emotionen. Man könnte sagen, zum Atem der Erzählung durch den Rhythmus kommt das Herz der Geschichte durch die erzeugten Gefühle.

Je nachdem, ob die Montage dazu dienen soll, viele Informationen in wenigen Filmminuten zusammenzufassen, eine Szene visuell attraktiv zu gestalten oder bestimmte Gefühle oder Assoziationen zu betonen, werden unterschiedliche Montageformen eingesetzt. Zwei besonders häufig verwendete Montageformen sind die Kontinuitätsmontage und die Parallelmontage. Seltener nutzen Filmemacher*innen die Split-Screen-Technik.

Die Kontinuitätsmontage

Die Kontinuitätsmontage ist die am häufigsten verwendete Montageform im Film und wird auch erzählende Montage genannt. Dabei werden Details weggelassen (Ellipse), von denen angenommen werden kann, dass das Publikum diese durch ihre Erfahrung ergänzt. Die Kontinuitätsmontage dient der Komprimierung von Handlungen, damit die Geschichte schnell und effizient erzählt werden kann.

Aufgabe 2

  1. Schau dir die beiden Filmausschnitte aus The Ordinaries an und schätze mit den Reglern ein, wieviel erzählte Zeit zwischen den elliptischen Schnitten vergeht. Beschreibe anschließend, wie die Kontinuitätsmontage umgesetzt ist. Achte dabei darauf, welche Details nicht vollständig gezeigt werden und welche Geschehnisse wir automatisch im Handlungsverlauf ergänzen.

TC 00:05:29.96 – 00:05:48.00

TC 00:25:30.91 – 00:25:53.64

Aufgabe 3

  1. Die Filmregisseur Billy Wilder sagte einmal: „Ich habe zehn Gebote. Die ersten neun heißen: Du sollst nicht langweilen! Das zehnte lautet: Du sollst das Recht auf den Endschnitt haben.“ Lassen sich Billy Wilders erste neun Gebote einhalten, wenn auf die Handlungskomprimierungen der Kontinuitätsmontage verzichtet wird? Begründe deine Meinung in wenigen Sätzen.

Parallelmontage

Bei der Parallelmontage werden zwei oder mehrere Handlungsstränge abwechselnd oder simultan erzählt. In der Regel betont diese Montageform, die auch Kreuz- oder Wechselschnitt genannt wird, zeitgleich stattfindende Ereignisse an verschiedenen Orten.

Aufgabe 4

  1. Löse die folgende Parallelmontage auf, indem du die Handlungsfolgen von Paula und ihrer Mutter Elisa Feinmann aus dieser Filmsequenz schneidest und personenbezogen wieder zusammenfügst. Schau dir das Ergebnis an und beschreibe, wie die filmische Erzählung auf dich wirkt, wenn die Handlungsstränge nacheinander gezeigt werden.

Schnittwerkzeuge:

Nach rechts/links schieben, um den Filmausschnitt einzugrenzen

Ausschnitt ausblenden/wieder einblenden

Ton ausschalten/einschalten

Nach oben/unten ziehen, um die Reihenfolge der Ausschnitte zu verändern

TC 01:31:49.39 – 01:32:43.88

Split-Screen-Technik

Ein ähnlicher Effekt wie der Parallelmontage lässt sich auch mit der Split-Screen-Technik erzielen. Dabei wird der Bildschirm in mehrere Bereiche aufgeteilt, um zeitgleich stattfindende Handlungen an verschiedenen Orten zeigen zu können. Diese Technik wurde schon in den 1910er Jahren im Stummfilm eingesetzt und ist uns heute vor allem aus Videokonferenzen vertraut.

Crown ist nicht zu fassen (1968), TC 00:12:26

Crown ist nicht zu fassen (1968), TC 00:46:14

Im Spielfilm Crown ist nicht zu fassen (1968) werden nicht nur parallel ablaufende Handlungsstränge in mehreren Fenstern gezeigt, sondern die Aufteilung des Bildschirms wird selbst ein filmästhetisches Mittel. Welche Effekte mit der Split-Screen-Technik noch möglich sind, kannst du dir in der Titelsequenz des Filmes ansehen:

Zurück zu The Ordinaries: Für das Telefonat zwischen Laura und Hannah haben sich die Filmemacher*innen für eine Split-Screen-Darstellung entschieden. Dadurch sehen wir nicht nur eine Handlung, die zeitgleich an verschiedenen Orten geschieht, sondern auch die Mimik und Gestik der beiden, ohne durch eine hohe Schnittfrequenz herausgefordert zu werden.

Aufgabe 5

TC 00:16:57.64 – 00:18:50.88

  1. Hier haben die Filmemacher*innen den Bildschirm horizontal in zwei gleich große Felder geteilt, um uns Paula und Hannah während ihres Telefonats an verschiedenen Orten zu zeigen. Wie würde sich die Wirkung der Szene bei einer vertikalen oder diagonalen Aufteilung verändern? Um das auzuprobieren, kannst du die Split-Screen-Bilder auf der Arbeitsfläche frei anordnen.

Aufgabe 6

  1. Stell dir vor, die Filmemacher*innen von The Ordinaries hätten eine ähnliche Split-Screen-Darstellung gewählt wie du sie oben im Film Crown ist nicht zu fassen siehst. Fällt dir eine Szene ein, für die sich eine vielfache Aufteilung des Bildschirms angeboten hätte?

Aufgabe 7

  1. Am Ende dieser Szene greift Hannah über den Bildrand hinaus auf die Schulter ihrer Freundin Hannah. Wie wirkt dieser „Kunstgriff“ auf dich?

TC 00:18:37

Jump Cut

Schnitte zwischen zwei Bildern, die hinsichtlich Kameradistanz und Bildausschnitt weitgehend identisch sind (siehe 30-Grad-Regel), aber einen Sprung in der Handlung vollziehen, bezeichnet man als Jump Cut (Sprungschnitt). Solche Jump Cuts sind also Lücken im Filmmaterial. Sofern es sich nicht um Anschluss- oder Schnittfehler handelt, wollen Jumpcuts auch wahrgenommen werden, denn damit lassen sich beispielsweise große räumliche Distanzen während einer Auto- oder Zugfahrt darstellen, ohne dass eine Szene zeitlich zu lang wird.

Als Beispiel siehst du dir hier einen Ausschnitt aus Jean-Luc Godards Film Außer Atem (1960), der uns mehrere Jumpcuts während einer Autofahrt zeigt. Jean-Luc Godard, ein französischer Nouvelle-Vague-Regisseur, gilt als Erfinder des Jump Cuts. Er nutzte dieses Verfahren um seinen Film geschickt zu kürzen.

Aufgabe 8

  1. Im Film The Ordinaries spielt Simon einen Jumpcutter, d.h. seine Darstellungen werden durch Lücken bzw. Sprünge gekennzeichnet. Schau dir diese beide Szenen mit Laura und Simon an und vergleiche sie mit den Jump Cuts während der Autofahrt in Jean-Luc Goddards Außer Atem. Sind die sichtbaren Sprünge in beiden Filmen gleich dargestellt oder stellst du Unterschiede fest?

TC 00:39:33.32 – 00:39:44.68

TC 00:58:55.91 – 00:59:17.36

Aufgabe 9

  1. In dieser Einstellung wird Paula durch einen Gang geführt. Schau dir diese Einstellung an und probiere die Wirkung von echten Jump Cuts aus, indem du wahrnehmbare Lücken mit den Schnittwerkzeugen erzeugst. Beschreibe, wie die veränderte Version auf dich wirkt.

Schnittwerkzeuge:

Nach rechts/links schieben, um den Filmausschnitt einzugrenzen

Ausschnitt ausblenden/wieder einblenden

Ton ausschalten/einschalten

Nach oben/unten ziehen, um die Reihenfolge der Ausschnitte zu verändern

TC 00:22:51.36 – 00:23:06.48

Kameraperspektive

13/21

Tongestaltung