Schon seit der Zeit des klassischen Hollywood-Kinos in den 1920er Jahren sind die Filmemacher*innen bemüht, das Publikum möglichst vergessen zu lassen, dass jeder Film etwas künstlich Inszeniertes ist. Aus diesem Grund definierte man Kontinuitätsregeln (engl. Continuity), die sowohl bei den Filmaufnahmen wie auch beim Schnitt und der Montage zu beachten sind und die sicherstellen sollen, dass die Details einer Einstellung zur nächsten passen. Die meisten Übergänge zwischen Einstellungen werden mit harten Schnitten umgesetzt. Andere Übergänge, wie weiche Blende, Ablende und Aufblende, die in den meisten Fällen das Verstreichen von längeren Zeiträumen signalisieren, werden eher als künstlich und konstruiert wahrgenommen und treten daher eher ins Bewusstsein der Zuschauer*innen. Um den Eindruck einer zeitlichen und räumlichen Kontinuität der Handlung zu erzeugen, müssen viele filmische Gestaltungselemente stimmig zusammenwirken. So müssen z.B. die Bewegungsrichtung von Personen und Objekten, die räumliche Bildaufteilung, die Lichtinszenierungen und Kamerabewegungen aufeinander abgestimmt und im Dienst einer logischen Erzählung kombiniert werden.
Um eine möglichst perfekt erscheinende Filmillusion zu schaffen, haben sich im Bereich der Montage verschiedene Regeln des Continuity-Systems etabliert, von denen du dich hier mit der 180-Grad-Regel näher beschäftigen kannst:
Die 180-Grad-Regel
Um die Konstanz der räumlichen Orientierung und der Bewegungsrichtungen zwischen den Schnitten aufrechtzuerhalten, wird zwischen den Figuren eine Handlungslinie (auch Handlungsachse genannt) angenommen, die von den Kameras nicht überschritten werden soll. Aufeinanderfolgende Einstellungen, die diese Regel berücksichtigen, bieten den Zuschauer*innen trotz wechselnder Perspektiven und Einstellungsgrößen eine ausreichende räumliche Orientierung. Der Handlungsraum wird dabei wie eine Bühne betrachtet und alle Aufnahmen erfolgen innerhalb eines Halbkreises.
Schematische Darstellung der 180-Grad-Regel
TC 00:21:18 – 00:22:23
Während visuelle Szenen eine kontinuierliche Erzählung im Raum-Zeit-Gefüge des Filmes konstruieren, wenden sich dialogische Szenen der Kommunikation der Figuren zu und werden meist nach dem Prinzip der 180-Grad-Regel filmisch aufgelöst. Zu Beginn erfolgt eine Einführungseinstellung (engl. establishing shot), die einen Überblick über den Raum und die Position der Figuren im Raum liefert sowie die Blickrichtungen der Figuren (siehe Point-of-View) festlegt, die dann in den folgenden Einstellungen beibehalten werden müssen. Auf Grundlage dieser Positionierung erfolgen im Verlauf eines Dialogs meist mehrere Über-die-Schulter- sowie Schuss-Gegenschuss-Einstellungen. Anschließend werden die Einstellungen der Kameras so montiert, dass die Zuschauer*innen die Kommunikation gut nachvollziehen können.
Das 180-Grad-Prinzip mit Handlungsachse (hellblau)
TC 01:10:48 – 01:11:51
In dieser Zuordnungs-Aufgabe kannst du deine visuellen Kamerapositionierungen überprüfen.
TC 01:10:45
TC 01:10:56
TC 01:10:58
TC 01:11:01
Als Anschluss bezeichnet man im Film den stimmigen Übergang zwischen zwei Einstellungen, der sicherstellen soll, dass alle Details zueinander passen. In der Filmproduktion ist meist eine Person nur dafür zuständig, sogenannte Anschlussfehler zu vermeiden. Dazu werden Fotos von jeder Szene gemacht, damit beim Dreh von Anschlussszenen alles passend arrangiert werden kann.
TC 01:10:48 – 01:11:51
Film arbeitet im Bereich der Montage natürlich nicht nur nach den Prinzipien der Kontinuität, um die Übergänge vor den Zuschauer*innen weitestgehend zu verbergen oder unauffällig zu gestalten. Eine bewusste Verletzung dieser Prinzipien kann als filmisches Gestaltungsmittel auch eine besondere Wirkung entfalten. Dazu zählt beispielsweise der harte Schnitt in diesem Ausschnitt, bei dem Regisseurin Mariko Minoguchi und Editor Andreas Menn die Filmszene plötzlich und übergangslos in eine andere übergehen lassen.
TC 00:21:58 – 00:22:44
Wenn du mehr über die Montage und den Schnitt von Mein Ende. Dein Anfang. erfahren möchtest, empfehlen wir dir den Artikel Es gibt keinen Zufall: Über die Montage von Mein Ende. Dein Anfang. von Carlotta Kittel.